Akademie der Kunst und Philosophie Akademie der Wissenschaften | Académie des sciences |
Nr. 575Thierry von Chartres - Philosopher of Middle Ages |
||
|
|
Aus dem Inhalt:
Nach der Schule von Chartres nimmt die Einheit selbst kein Mehr oder Weniger in sich auf, noch ist sie der Vervielfältigung zugänglich. "Wer dagegen behaupten wollte, es gebe mehrere Götter, der würde in völligem Irrtum erklären, es gebe weder Gott noch irgendeinen von allen Gegenständen des Universums." [1] Wenn es auch den Anschein hat, als ob "Einheit" dem Namen des Größten ziemlich nahe käme, so bleibt er doch vom wahren Namen des Größten, der das Größte selbst ist, unendlich weit entfernt. Alle Aussagen der affirmativen Theologie ("theologia affirmativa") über Gott gründen in Gottes Bezug zu den Geschöpfen. "Das gilt auch für die hochheiligen Namen, die sich bei den Hebräern und Chaldäern finden, und in denen tiefste Geheimnisse der Gotteserkenntnis verborgen liegen." [2] Auf geistige Weise schliesst das Größte alles ein und entfaltet es. Wie Hegel sagt auch Cusanus, der Begriff komme aus dem Geist und nicht aus der Materie, wie viele Naturforscher heute sagen.Es entsteht nicht eine Art aus der anderen, sondern die Arten stammen von der geistigen Einheit. Auch ist zumindest für die Nicht-Muslime klar, dass Gott nicht nur abstrakt, "in Einheit nicht durch die abstrahierende Vernunft" besteht. Der Gedanke, dass die Dinge ohne Gott nichts sind, wie die Zahl ohne Einheit, stammt aus der neuplatonischen Tradition und wurde von der Schule von Chartres aufgegriffen. [3] Die Peripatetiker
dagegen sagten, die Formen seien nur der Möglichkeit nach im Stoff
und würden durch den Wirkenden herausgeholt. Das kommt der Wahrheit
näher, denn in diesem Fall bewirkt nicht nur die Möglichkeit,
sondern auch der
Die menschliche Wesenheit ist nicht mit dem Menschen identisch, während die göttliche Wesenheit der Gottheit mit Gott identisch ist. Daher ist der Sohn eines Menschen, auch wenn er von derselben menschlichen Natur wie der Vater ist, dennoch nicht derselbe Mensch, sondern ein anderer; der Sohn Gottes jedoch ist derselbe Gott wie der Vater und kein von ihm Verschiedener. Christus ist somit das ewige ungeschaffene Wort ("verbum aeternum increatum"). Es ist kein sinnenfälliges Wort, sondern vielmehr ein vernunfthaftes ("intellectuale"). Wenn die Vernunft nicht auf ihren Begriff schaut, den sie auf vernunfthafte Weise, wie der Erbauer eines Hauses auf das Wort beziehungsweise den Begriff schaut, durch den er baut. Die vernunfthafte Natur formt also alles durch ihr Wort, und sie formt es auch erneut durch ihr Wort. Der Baumeister formt das Haus durch sein Wort; und wenn es einstürzt, formt er es durch dasselbe Wort von neuem. So kann auch Gott durch sein Wort je neu formen ("deus sic per verbum format et reformat."). Dieses Wort wird auch Weisheit genannt; Gott schafft nämlich alles durch seine Weisheit ("omnia enim deus per sapientiam facit"). Muhammad und seine Saracenen wollte den ungebildeten Heiden jede Form von Polytheismus austreiben und ihnen keinen Anlaß zum Irrtum geben, deshalb konnten weder er noch seine Saracenen die vernunfthafte Sohnschaft ("filiationem intellectualem") begreifen, da sie es nicht anders verstehen konnten als sie in der Sinnenwelt erscheint. [5] Jede Tätigkeit aber geht aus dem Geist und der Liebe hervor, die das Aktive dem Passiven vereint. Und daher geht die größte Tat, die über jedem Verhältnis der Natur liegt, durch die sich der Schöpfer dem Geschöpf vereint, aus der höchsten einenden Liebe hervor und stammt darum ohne Zweifel vom Heiligen Geist, der die Liebe auf absolute Weise ist. Durch ihn allein ohne Beihilfe einer im Rahmen der Art eingeschränkten Wirkursache konnte die Mutter den Sohn des göttlichen Vaters empfangen; wie Gottvater alles, was aus dem vorherigen Nichtsein in das Sein überging, durch seinen Geist bildete, so brachte er das in vorzüglicher Weise durch eben diesen seinen Heiligen Geist zuwege, da er in vollkommenster Weise wirkte. [6] "So also ist die Fähigkeit der geistigen Natur (capacitas naturae intellectualis); sie nimmt das Leben in sich auf und wird entsprechend ihrer Wandlungsfähigkeit in dieses verwandelt, so wie sich die Luft, die den Strahl der Sonne aufnimmt, in Licht verwandelt. Deshalb sieht die Einsicht, welche fähig ist, sich zum Erkennbaren zu wandeln, nur das Allgemeine, Unvergängliche und Bleibende (universalia et incorruptibilia et permanentia); die unvergängliche Wahrheit (veritas incorruptibilis) ist ihr Gegenstand, zu ihr wird sie auf geistige Weise gedrängt. Diese Wahrheit begreift sie im ruhigen Frieden der Ewigkeit in Jesus Christus." - Nicolaus Cusanus, De docta III, 12In der Kirche der Triumphierenden ist Christus Jesus als wahrer Mensch in so vollkommener Einung mit dem Sohn Gottes vereint, dass die Menschheit in unaussprechlicher, hypostatischer Einung ("unione ineffabili hypostatica") nur in der Gottheit selbst Bestand hat. Und sie kann, während die Wahrheit der menschlichen Natur erhalten bleibt, nicht stärker und einfacher vereint werden. Jede vernunftbegabte Natur ist so sehr mit Christus dem Herrn vereint, dass sie, "wenn sie ihm in diesem Leben in höchstem Glauben und größter Hoffnung und Liebe zugewandt war, in ihm allein, während ihre persönliche Wahrheit erhalten bleibt, so begründet ist, dass alle, Engel wie Menschen, in Christus allein bestehen. Durch ihn sind sie in Gott, wenn der Geist den wahren Körper eines jeden aufgenommen und an sich gezogen hat; jeder Selige bewahrt die Wahrheit seines eigenen Seins, aber er ist Christus in Christus Jesus und durch ihn Gott in Gott; und weil Gott, das absolut Größte in Christus Jesus dieser selbst ist, ist er auch durch ihn in allem alles." [7] Anmerkungen [1] Nicolaus Cusanus,
De docta I; Thierry von Chartres, Commentum super Boethium de trinitate
I, 14; Meister Eckhart, Expositio sancti evangelii secundum Ioannem; vgl.
Kurse Nr. 568 Nicolaus Cusanus -
Renaissance Philosopher II, Nr.
566 Meister Eckhart, Nr.
578 Pierre Abaelard , Nr.
575 Thierry de Chartres,Ib
Zur Philosophie und
Kultugeschichte des Mittelalters, der Schule von Chartres und der Renaissance
vgl. Kurse:
Nr.
581 Bernhard von Chartres, Nr.
580 Wilhelm von Conches, Nr.
579 Albertus Magnus, Nr.
578 Pierre Abaelard, Nr.
574 Johannes von Salisbury, Nr.
577 Petrus Lombardus, Nr.
576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr.
565 Johannes Scotus Eriugena, Nr.
575 Thierry de Chartres, Nr.
571 Alanus ab Insulis, Nr.
572 Anselm von Canterbury, Nr.
570 Hilarius von Poitiers, Nr.
568 Nicolaus Cusanus - Renaissance Philosopher I, Nr.
568 Nicolaus Cusanus - Renaissance Philosopher II, Nr.
564 St. Augustinus, Nr.
500 Thomas von Aquin I: Summa contra Gentiles, Nr.
501 St.Thomas Aquinas - Philosopher of Gothic period II: Summa Theol.,
Nr.
502 St.Thomas Aquinas - Philosopher of Gothic period III, Nr.
582 St.Thomas Aquinas - Philosopher of Gothic period IV, Nr.
566 Meister Eckhart , Nr. 562 Dante,
Nr. 320 Romanische Kunst
und Architektur , Nr.
325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr.
326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr.
350 Byzantinische Kunst und Architektur. Akademie der Kunst und Philosophie
Hier
kannst Du Dich direkt für den Fernkurs registrieren
Registration
form
Folge uns in den sozialen Netzwerken: Kunst und Architektur der Renaissance | Gothische Kunst und Architektur | Romanische Kunst und Architektur | Byzantinische Kunst und Architektur | Perugino | Raffael | Albrecht Dürer | Albrecht Altdorfer | Sandro Botticelli | Girolamo dai Libri | Domenico Ghirlandaio | Defendente Ferrari | Borgognone | Pinturicchio | Piero della Francesca | Mantegna | Fra-Angelico | Benozzo Gozzoli | Jan van Eyck | El Greco | Correggio | Murillo | Paolo Veronese Miguel de Cervantes | William Shakespeare | Sir Walter Scott | Plato | Aristoteles | Johann Wolfgang von Goethe | Friedrich Schiller | Friedrich Hölderlin | Novalis | Arthur Schopenhauer | Matthias Claudius | Johann Gottlieb Fichte | Friedrich Wilhelm Joseph Schelling | Georg Wilhelm Friedrich Hegel | Wladimir Solowjew | Fjodor M. Dostojewskij | Gottfried Wilhelm Leibniz | St.Thomas Aquinas | Johannes Scottus Eriugena | St. Augustinus | Meister Eckhart | Nicolaus Cusanus | Wilhelm von Conches | Petrus Abaelardus | Petrus-Lombardus | Hilarius von Poitiers | Alanus ab Insulis | Albertus Magnus | Anselm von Canterbury | Angelus Silesius | Dante Alighieri | Torquato Tasso | Ariosto | Calderón de la Barca | Rousseau | Walter von der Vogelweide | Wolfram von Eschenbach Akademie
der Kunst und Philosophie / Academy of Arts and Philosophy
Copyright © 2012-2018 Akademie der Kunst und Philosophie Letzte Bearbeitung:12.07.2018 |